In den letzten Monaten hat das Berliner jugendFORUM vielfältige Möglichkeiten für Jugendliche geschaffen, sich zu beteiligen - herausgekommen sind über 50 Forderungen, die sieben Hauptkategorien aus der Lebenswelt der Jugendlichen zugeordnet werden können sowie zwei Kategorien, die etwas weiter gefasst wurden:

Wohnungsnot und Stadtentwicklung
Corona-Politik und psychische Gesundheit
Schulpolitik
Anti-Diskriminierung
Queeres Leben
Nachhaltigkeit
Ausbildung

Grundsätzliche Forderungen
Politik ist mehr als Landessache!

Unsere gesammelten Forderungen, die am 29.08.2022 auf der Hauptveranstaltung des juFO's 2022 der Berliner Landespolitik übergeben wurden, findet ihr hier:

Wohnungsnot und Stadtentwicklung

Fest steht: Wir wünschen uns, dass mit Grundrechten kein Geld verdient wird und Wohnen nicht als Luxusgut begriffen wird. 100 Prozent der Jugendlichen, die an der Online-Umfrage teilgenommen haben, wünschen sich mehr bezahlbaren Wohnraum.

Weiter fordern wir:

  • Umsetzung des Menschenrechts auf angemessenen und bezahlbaren Wohnraum
  • Förderung vielfältiger Wohnmodelle
  • mehr Hilfe für Obdachlose/Wohnungslose durch die Umsetzung von Housing First und allumfassende Hilfe, die die vielfältigen Herausforderungen gemeinsam in den Blick nimmt
  • mehr qualitativ erreichbare und angemessene Treffpunkte für junge Menschen – gemeinsam mit ihnen geplant
  • mehr staatliche Kontrolle, z.B. durch Mietendeckel, finanzierbarer Wohnraum, sozialverträgliche Wohnorte
  • keine Verdrängung von Kiezkultur
  • öffentliches WLAN
  • Ausbau bestehender Spiel- und Sportplätze; Sportplätze so bauen, dass Mädchen sie nutzen und sich sicher fühlen
  • generell mehr Freiräume für Jugendliche, in denen sie ungestört chillen können

Corona-Politik und psychische Gesundheit

Insbesondere während der Corona-Pandemie haben wir vermisst, mitbestimmen zu können. Hier wird mehr erwartet!

Außerdem wünschen wir uns:

  • bessere Angebote für Jugendliche mit körperlichen und psychischen Herausforderungen
  • mehr Präventionsarbeit für Substanzmissbrauch (nicht nur durch einen abschreckenden Vortrag) sowie eine höhere Einbindung von Sozialarbeiter*innen; Jugendliche sind täglich beim Feiern, in der U-Bahn und auch zu Hause mit Substanzmissbrauch konfrontiert. Wir wünschen uns eine realitätsnahe Aufklärung für uns selbst und Schutzmechanismen, falls es schon zu Substanzmissbrauch gekommen ist.
  • besseren und schnelleren Zugang zu Therapieplätzen (Klinik und ambulante psychologische Beratung haben zu lange Wartezeiten, teilweise Monate); außerdem die Möglichkeit psychischer Beratung in Schulen, da Schulen für viele Jugendliche die größte Konstante im Leben sind. Kein Zugang zu Hilfsangeboten führt dazu, dass junge Menschen sich zunehmend von der Gesellschaft isoliert fühlen und sich dies im schlimmsten Fall negativ auf ihre Entwicklung auswirkt.
  • einen besseren Betreuungsschlüssel von sozial und psychologisch ausgebildetem Personal für Polizei, öffentliche Verwaltung und Lehrkräfte; im Alltag beobachten wir, dass es an Wissen zum Umgang mit psychisch erkrankten Menschen mangelt, wodurch selbst von psychischer Erkrankung betroffene Jugendliche sich in öffentlichen Räumen nicht mehr sicher fühlen. Da Jugendliche viel Zeit in der Schule verbringen, sollte insbesondere diese Orte sein, an dem sie sich sicher fühlen können.

Schulpolitik

50 Prozent der jungen Menschen, die die Online Umfrage ausgefüllt haben, stimmen der Aussage zu: „Druck und Pensum sind mir zu hoch.“. In diesem Themenbereich sind besonders viele Forderungen zusammengekommen. Dadurch ist erkennbar, welchen umfassenden Wunsch nach Veränderungen junge Menschen in diesem bedeutenden Bereich ihres Lebens verspüren.

Wir fordern:

  • Möglichkeit der Abschaffung von Noten geben (z.B. pro Schule oder Klasse oder kursweise wie beim Sport); Schüler*innen wollen häufig weniger Leistungsdruck und fühlen sich im Schulsystem auf ihre Note reduziert. Wir sind mehr als unsere schulische Leistung!
  • angemessene digitale Ausstattung für das 21. Jahrhundert – Overheadprojektoren und DVD-Player sind keine angemessene Ausstattung um für ein Leben und eine Arbeitswelt 2040 ausgebildet zu werden
  • ausgebildete Rassismus- und Diskriminierungsbeauftragte an Schulen; wie auch im Punkt Anti-Diskriminierung sichtbar wird, erleben Jugendliche in Berlin häufig Alltagsrassismus. In der Schule begegnen sich die verschiedensten jungenMenschen und sollten ein respektvolles Miteinander lernen. Dafür muss es ausgebildete Fachkräfte geben, die Grenzüberschreitungen als solche wahrnehmen und entsprechend handeln können.
  • andere Fächer oder andere Aspekte in Rahmenlehrpläne inkludieren, um die Lebensrealität von Schüler*innen besser abzubilden: Vorschläge sind hier beispielsweise: Haushaltskunde, Sexualkunde und consent education als eigenständiges Fach, mit Diskriminierung umgehen, Rassismus-Sensibilisierung, Administration und Umgang mit Ämtern und öffentlicher Verwaltung, Kommunikation und Achtsamkeit, Selbstreflektion und Eigenverantwortung, aber auch Themen wie Glück, Sicherheit und Medienpädagogik.
  • eine intensivere, modernisierte Pädagogikausbildung für Lehrkräfte und verpflichtende, subventionierte Fort- und Weiterbildungen zu Rassismus- und Diskriminierungssensibilität
  • kleinere Klassen mit maximal 25 Schüler*innen – je kleiner desto besser!
  • mindestens ein*e Sozialarbeiter*in pro 250 Schüler*innen um allen Sorgen gerecht zu werden und individuell helfen zu können
  • Quereinsteiger*innen gut ausbilden – ein Jahr bezahlte, vorbereitende und begleitende Pädagogik-Ausbildung und Inhaltsvermittlung
  • moderne Unterrichtsgestaltung mit Geld, Zeit und Ausbildung dafür: verpflichtende Fortbildungen, WLAN an allen Schulen und Zeit zum individuellen Lernen für jede*n Schüler*in
  • Chancengleichheit: Ganztagsangebot auch an weiterführenden Schulen, Hauaufgaben abschaffen und Lehr-/Lernmittelfreiheit umsetzen

Anti-Diskriminierung

Die Berliner Jugend ist sehr sensibel für Diskriminierung und möchte Ungleichheiten bekämpfen. 80 Prozent der befragten Jugendlichen stimmen der Aussage: „Alle Menschen, die neu in Deutschland sind, sollten gut aufgenommen werden.“ zu.

Wir fordern:

  • Alltagsrassismus von Jugendlichen zu bekämpfen und einen vorurteilsbewussten Umgang zu fördern (siehe hier auch im Forderungskatalog Schule)
  • Menschen konsequent in der Politik mitzudenken, die von Mehrfach-diskriminierung betroffen sind und sie selbst als Expert*innen ihrer Situation befragen und einbinden
  • mehr sichere Orte für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, zu schaffen – Orte des Austauschs und Zusammenkommens, Orte der Sicherheit und Orte der Beratung
  • Maßnahmen gegen strukturellen Sexismus zu ergreifen – niedrigschwellige Opferberatungsstellen, Kampagne gegen Femizide, Sensibilisierung von Männern für Artikel Artikel 3 des Grundgesetzes
  • Förderung inklusiver Freizeitaktivitäten, beispielsweise durch die gezielte Finanzierung von Aktionen mit und ohne Jugendliche mit Behinderung
  • mehr Zivilcourage in der Gesellschaft fördern

Queeres Leben

Berlin ist eine weltoffene Stadt und sollte ein sicherer Ort für queere Menschen sein.

Um das zu erreichen, fordern wir:

  • innerhalb bestehender, öffentlichen Strukturen safe spaces für queere Menschen und Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte; Beispielsweise FLINTA Abteile und Awareness Team im öffentlichen Verkehr
  • die bezirklichen Register bekannter zu machen, um Gewalt zu erfassen und Betroffenen zu helfen
  • die Berliner Bäder sollen ihre Badeordnung ändern, um keine Positionierung von Geschlechtszugehörigkeit zu verlangen
  • Unisex-Toiletten und Umkleiden in Schulen und Jugendzentren zum Standard machen; damit müssen nicht andere Toiletten abgeschafft werden, aber für Menschen, die sich nicht als weiblich oder männlich definieren und für die, die Benutzung eine Diskriminierung darstellt, sollte es andere Optionen geben.
    Ich wünsche mir mehr Orte, an denen ich sein kann wie ich bin“ ist hier ein viel gefallener Satz. Wäre schön, wenn das Realität werden würde!

Nachhaltigkeit

Zu viel Müll, zu viele Autos, zu wenig kostenlose Mobilität – zusammengefasst die Ergebnisse unserer Umfragen und des Jugendbegleitgremiums zur Stadt Berlin.

Konkrete Forderungen gibt es natürlich auch:

  • Fahrradwege und Fußwege ausbauen
  • Wir wollen eine saubere Stadt! Weniger Verpackungsmüll damit es weniger stinkt.
  • Sharing-Angebote kostenlos im ÖPNV Ticket inkludieren und gleichzeitig Wildparken verhindern
  • bestehende Grünflächen schützen und nicht bebauen
  • kostenloser ÖPNV mit engerer Taktung und mehr Sauberkeit
  • autofreie Zonen, um Platz für Fahrradstraßen zu schaffen
  • weniger klimaschädliche Lobby und mehr ernstgemeinte Klimafreundlichkeit.
  • ein veganes Schulessen zur Auswahl – jeden Tag; täglich zahlt das Land sehr viel Geld für klimaschädliches Schulessen mit Fleisch. Es sollte möglich sein, Schulen zu verpflichten, mindestens ein veganes Essen am Tag beim Caterer zu bestellen/anzubieten.

Ausbildung

Fast 37.000 junge Menschen machen im Land Berlin gerade eine Ausbildung. Sie finden es läuft nicht ganz rund. Noch mehr junge Menschen würden gerne eine Ausbildung machen. Die wichtigste Botschaft der Jugendlichen: Mit einem Ausbildungsgehalt oder BAföG muss das Leben finanzierbar sein!

Unsere Forderungen um die Situation der Auszubildenden im Land Berlin zu verbessern lauten weiterhin:

  • niedrigschwelliger Zugang zu Ausbildung zum Beispiel durch Bewerbungshilfe, Vermittlung, Sprachmittlung, Ausbildungsbörse like Hochschulstart und innovative Projekte zu einfacherem Bewerben.
  • diskriminierungsfreie Diagnostik in der berufspsychologischen Testung und Anerkennung der Berufsorientierung von sechs Stunden täglich.
  • schnellere Terminvergabe bei den Ämtern, der Berufsberatung, der Jugendberufsagentur, der berufspsychologische Diagnostik
  • Ausbildungschancen für alle in allen Bereichen! Explizit wurde hier der Reha-Bereich und die Jugendberufshilfe genannt, in der nicht alle Ausbildungsgänge des Ersten Ausbildungsmarktes vorhanden sind.

Grundsätzliche Forderungen

Nicht alle Forderungen haben in die sieben Hauptkategorien gepasst. Daher hier noch weitergehende Forderungen:

  • weniger überlaufene Tierheime durch mehr finanzielle Förderung um Personal einzustellen, das Gelände zu erweitern und den Tierschutz zu gewährleisten. Kampagne zur Adoption aus dem Tierheim soll umgesetzt werden.
  • mehr Beteiligung: mehr offizielle und offene Anlaufstellen für Jugendbeteiligung in allen Bezirken
  • Politik für Alle muss auch von Allen gemacht werden – ein Jugendexpert*innen-gremium auf Landesebene soll eingerichtet werden!
  • Jugendämter/Jobcenter sollen besser geschult werden und nach Vorrang des Kindeswohl entscheiden
  • Ermöglichung, Unterstützung und Förderung der Gründung einer Interessensvertretung für Kinder und Jugendliche in den erzieherischen Hilfen auf Landesebene

Politik ist mehr als Landessache

Wenn man nach Forderungen an die Politik fragt, bekommt man selbstverständlich nicht nur Antworten, die die Berliner Landespolitik umsetzen kann. Ungehört sollten diese trotzdem nicht bleiben.

Daher finden sich hier auch Forderungen, die Sie gerne an Ihre Bundeskolleg*innen weiterleiten dürfen:

  • gleicher Lohn für Menschen mit Behinderung
  • höherer Mindestlohn
  • gut ausgebildetes Klinikpersonal, gut bezahltes Pflegepersonal
  • Legalisierung von Cannabis
  • Massentierhaltung verbieten